Martin Lejeune, Bühnenmusik, Jens Hunstein, Dirk-Peter Kölsch, Ensemble 9.November , Gallus Theater, Kosmos Theater Wien, Frau im Mond

Frau im Mond und andere Liebhaber – Ensemble 9.November

Die Bühnenmusik für „Frau im Mond und andere Liebhaber“ ist eine Auftragskomposition für das Ensemble 9.November

Premiere 12.März 2009

Sa. 14. März 2009
So. 15. März 2009

Do. 19. März 2009
Fr. 20. März 2009
Sa. 21. März 2009
So. 22. März 2009

https://www.youtube.com/watch?v=gzHBsui4WmI

Die Inszenierung, unter dem Titel „Frau im Mond + andere Liebhaber“, entwirft eine gesamtkünstlerische Interpretation von 4 Erzählungen 4 deutschsprachiger Autorinnen, wobei jede der Erzählungen ihren eigenen Auftritt erhält:
„Mondgeschichte“ – Ilse Aichinger
„Undine geht“ – Ingeborg Bachmann
„Besuch vom Hund“ – Karen Duve
„Kluge Else, Katherlieschen“ – Christa Reinig
http://www.e9n.de/a1__/repertoire/e9n_2011.html

KONZEPTION, DRAMATURGIE, REGIE: Helen Körte
KOMPOSITION, MUSIKAL. LEITUNG: Martin Lejeune
SCHAUSPIELER/INNEN: Ruth Klapperich, Margie King, Verena Specht-Ronique, Willi Forwick, Claudio Villardo, Fernando Fernandez.
MUSIKER: Martin Lejeune, Jens Hunstein, Peter Kölsch
BÜHNE, OBJEKTE: Wilfried Fiebig
KOSTÜME: Margarete Berghoff
FILME: Sebastian Schnabel, Tanja Herzen (HFG)
PROJEKTION: Jörg Langhorst, Wilfried Fiebig
LICHTDESIGN: Oliver Heyde
FOTOGRAPHIE: Sabine Lippert
„ENSEMBLE 9. NOVEMBER“

PRESSESTIMMEN

Frankfurter Allgemeine Zeitung 14.03.2009
MAN TRÄGT JETZT GIEßKANNE
Helen Körtes skurrile “ Frau im Mond “ im Gallus-Theater
Hans Riebsamen

Wer ist die Schönste im ganzen Land? Drei Grazien erheben im Gallus-Theater darauf Anspruch, drei liebreizende Damen in bauschigen Kleidern und mit extravaganter Kopfbedeckung. Frau trägt in dieser Saison Gießkanne auf dem hübschen Köpfchen — hat Modeschöpferin Helen Körte festgelegt, um flugs Maßschneider Wilfried Fiebig ins Atelier zu schicken. Doch die Schönste ist nicht hier auf Erden unter den Geishas der Teezeremonie zu finden, die Schönste, Ophelia, schaut vom Mond auf uns herab. Und so hat Regisseurin Körte ihrem neuen Theaterstück nach Ilse Aichingers Text „Mondgeschichte“ den Titel „Frau im Mond“ gegeben, mit dem Zusatz „und andere Liebhaber“. Um Liebe und Liebhaber geht es in allen vier Stücken des Stücks. Körte hat vier Texte von Schriftstellerinnen, neben Aichinger Ingeborg Bachmann, Karen Duve und Christa Reinig, als Vorlage genommen und aus jedem einzelnen einen je eigenen Minireigen von Szenen gemacht. Daraus ist kein hochgestochenes Literaturtheater geworden geworden, vielmehr ein freches Gesamtkunstwerk aus Schauspielerei, Tanz, Musik, Film und Objekten der bildenden Kunst. Letztere hat wie immer der Mann im Zweierteam des „Ensemble 9. November“, der Künstler Fiebig geschaffen.

Wer kann schon von sich behaupten, einen eigenen Theaterstil entwickelt zu haben ? Körte darf es, das Kunststück ist ihr im Laufe der Jahre gelungen. und dies mit ganz geringen finanziellen Mitteln der städtischen „institutionellen Förderung“, aber mit umso mehr Phantasie. Dieses Mal sogar besonders gut.

„Frau im Mond“ ist Farce, skurrile Komödie, schwarzes Theater, Comedy, Slapstick – aber nie Klamotte. Die rechte Mischung gegen den Trübsinn in diesen Zeiten. Hier werden mit Farbe und Tönen Verrücktheiten der Liebessehnsüchte ironisiert. Aus Bachmann Traum- und Schmerzensmann Hans, dem die Schriftstellerin mit allen Gefühlsempfindungen von Zärtlichkeit bis Verachtung begegnet, wird das „Hänschen klein“ , getrillert und gesungen in drei Versionen; aus Karen Duves Hunde-Besucher ein magerer Wolf mit philosophischer Ader und außerdem ein bezaubernd hundischer Zwei-Minuten-Film von der Studentin Tanja Herzen; aus Christa Reinigs kluger Else, ihrem Katerlieschen und der Gänsemagd eine Emanzen- Rockband- während ihre potentiellen Liebhaber, drei Soldaten, zum Kampfruf „Jesus, meine Zuversicht, Erdbeertorte gibt es nicht “ Liegestütze üben. Nicht zu vergessen die Musik von Martin Lejeune, sie ist wie cremige Sahne über dem nicht vorhandenen Erdbeerkuchen.
Frauen, Pferde und Gießkannen
Frankfurter Rundschau
Stefan Michalzik

Sein oder Nichtsein, das ist hier die Hundefrage. Ein solcher Satz, er stammt aus Karen Duves Erzählung „Besuch vom Hund“, ist in seiner einen Fantasieraum öffnenden Dimension wie geschrieben für Helen Körte, Gründerin und Regisseurin des Frankfurter Ensembles 9. November. Körte, die ihre Stoffe seit jeher, lange bevor es auf dem Theater zur Zeiterscheinung geworden ist, aus literarischen Vorlagen bezieht, bringt in ihrer neuen, am Gallus-Theater herausgekommenen Arbeit „Frau im Mond und andere Liebhaber“ Erzählungen deutschsprachiger Autorinnen zusammen, die von den Verhältnissen zwischen Männern und Frauen handeln.

In „Undine geht“ aus Ingeborg Bachmanns 1961 erschienenem ersten Prosaband „Das dreißigste Jahr“ scheint Elfriede Jelinek schon vorweggenommen. Im Angesicht des Suizids wird Klage geführt gegen die „Ungeheuer mit Namen Hans“, eine Phalanx von „Monstren“, die im Gestus schnöder Selbstverständlichkeit Frauen funktionalisieren. Filmbilder von Wildpferden, Metapher für Freiheit, eröffnen die Szene, derweil das Stampfen der drei Darstellerinnen von eng gezogenen Grenzen zeugt. Auch von denen emotionalen Verfangenseins.

Begonnen hat der Abend mit der „Mondgeschichte“ Ilse Aichingers, die eine Misswahl bis ins Universum ausgreifen lässt. Auf dem Mond, in einer Begegnung mit Shakespeares Ophelia, findet die Schönheitskönigin ihre Meisterin. Eine Trias mit Gießkannen gekrönter Prinzessinnen tritt auf, unter Klängen des glorios agil musizierenden Jazztrios um den Gitarristen Martin Lejeune.

Am Ende, in „Kluge Else, Katherlieschen und Gänsemagd“ von Christa Reinig, treffen drei Frauen aus den Grimmschen Märchen, die den Unbilden des gesellschaftlich zugeschriebenen Frauseins entkommen wollen, auf einen soldatischen Dreiertrupp: Ein Offizier schleift zwei Rekruten. Ein grotesk überzeichnetes Bild von Männlichkeit.

Ist es ein Abend, geschöpft aus dem Geiste feministischer Weltsicht? Kann man so sehen. Doch egal, welche im Kern auch noch so „harten“ Themen sich Helen Körte anverwandelt, am Ende steht immer ein Theatermärchen von schierer Freundlichkeit. Das Theater, ein Fest. Ein revuehaftes Spektakel. Mit wild wuchernden, gleichwohl in ihrer Handschrift wohlbekannten Fantastereien und mit kongenialen Objekten von Wilfried Fiebig. Eine Welt der schönen, sich selbst genügenden Bilder. Sein oder Nichtsein, das ist hier die Hundefrage.
Frankfurter neue Presse, 14.03.2009
Die Erde will Miss Universum sein

Helen Körte vom «Ensemble 9. November» inszenierte im Gallus-Theater Frankfurt «Frau im Mond und andere Liebhaber».

Eben meint man noch, dass sich das von Martin Lejeune und Mini-Band begleitete Stück Musiktheater, ein intarsienhaftes Gesamtkleinkunstwerk aus intelligenten Bildeinfällen (Bühne, Objekte: Wilfried Fiebig) und kauzig-kaleidoskopischen Elementen, die ihre Figuren in lyrischen Teil-Plots, Tanz, Gesang und Dialogen mehr malen als plastisch machen, ein wenig hinzieht. Aber, oh Wunder, da ist «Frau im Mond» schon zu Ende – hat statt geschätzter 50 Minuten fast zwei Stunden gedauert. Kurzweil-Theater als subjektive Zeitmaschine: eine Vorstellung, die sich mit Körtes surreal-absurd-abstrakter Bühnenwelt gut vereinbart.

Was passiert? Miss Erde möchte auch Miss Universum sein und reist zur Kür auf den Mond, wo sie die ungleich schönere Ophelia vorfindet: Alles nur ein Traum (Ilse Aichinger, «Mondgeschichte»)? Undine, Wasserwesen wie Ophelia und Ur-Frau, leidet unter der Missachtung ihres Ur-Mannes Hans alias Hänschen klein (Ingeborg Bachmann: «Undine»). Ein Hund bricht in die Party der Dichterin ein und stellt die Ordnung der Dinge auf den Kopf (Karen Duve: «Besuch vom Hund»). Viertens Christa Reinigs «Kluge Else, Katerlieschen und Gänsemagd als Bremer Stadtmusikanten»: Frauen aller Märchen, vereinigt euch – streift eure Frauenrollen ab, lasst die Machos zurück und sucht die Freiheit! Als Feministin fiel Helen Körte bislang nicht auf. Diesmal taucht sie gezielt ins Erzählen von Vorzeige-Autorinnen ein, konzentriert sich auf weibliche Figuren und ihre weiblichen Welt-Geschichten. Identifiziert sie die Undines in Bild 2 mit einer rasenden Herde Wildpferde oder stellt sie ihre Frauen auf den Catwalk, fällt freilich auf, dass das Feministische unaggressiv bleibt. Die Assoziationen gehen eher zur Pferdeliebe pubertierender Mädchen, die sie auf Männerliebe vorbereitet, als zum Kastrationsmesser. Männer werden von außen gesehen, doch schwingt in Körtes Blick auf deren kleine Lächerlichkeiten ein ironisch-sympathisierender Grundton mit. Ein hübsches Spiel, das gerade auch musikalisch gefällt.dek