Hommage an Wilhelm Genazino

Presse:

Fische und Menschen

Hommage an Wilhelm Genazino im Gallus-Theater „Das Meer, der Fisch, das Telefonbuch

„Das Meer, der Fisch, das Telefonbuch und 1 Senftüpfelchen“ heißt der Untertitel des als „Hommage an Wilhelm Genazino“ annoncierten Abends. Und genau darum geht es unter anderem auch in der „musiktheatralischen Stadtballade“, wie die Eigenbezeichnung des „Ensembles 9. November“ für diese etwa 70 Minuten währende poetische Revue lautet: eine von Helen Körte verantwortete, rundum gelungene, zwar schon etwas ältere, jetzt aber mit anderen Schauspielern und um einige Effekte erweitert im Frankfurter Gallus-Theater wiederaufgenommene Produktion. Die Texte des voriges Jahr gestorbenen Schriftstellers, die Musik von Martin Lejeune, die Kostüme von Wilfried Fiebig und Margarete Berghoff sowie Fiebigs bildhauerische Objekte gehen darin eine Einheit von zwingender ästhetischer Logik ein. Genazinos skurrile Alltagsgeschichten und seine stets strikt gegen den Hauptmeinungsstrom gebürsteten Sentenzen, in denen es etwa seltsam derb und nüchtern um die Liebe geht, werden mit kongenialen Visualisierungen und einer ebensolchen Musik ins Absurd-Märchenhafte gesteigert. Der Abend beginnt und endet mit Fischen, die Beobachtung, dass sie in totem Zustand besonders lebendig wirken, erfreut das Publikum ebenso wie ein Tango mit den Meerestieren, die in einem Film von der Leinwand glotzen.
Die Verwandlung von Menschen in Fische mittels großartiger Kostüme gehört zu den Höhepunkten dieser Genazino-Aneignung. Bleibt zu hoffen, dass das Theaterwerk, in dem die Merkwürdigkeiten der Großstadt und des Lebens überhaupt so verzweifelt-fröhlich, so heiter-melancholisch funkeln, demnächst noch einmal auf die Bühne kommt.

Michael Hierholzer, FAZ 29.9.2019

„DAS MEER, DER FISCH, DAS TELEFONBUCH UND 1 SENFTÜPFELCHEN.“ Neu Bearbeitung nach der Obdachlosigkeit der Fische von Wilhelm Genazino

„DER PSYCHO-HISTORIKER DER ALTEN BUNDESREPUBLIK“
Je auswegsloser der Schriftsteller Wilhelm Genazino den Aberwitz unserer Zivilisation beschrieb, desto größeren Erfolg hatte er. Nun ist er im Alter von 75 Jahre gestorben, (SZ. Zeitungsmagazin )

Wilhelm Genazino war der Seismograf für die Seelenlandschaften der Bundesrepublik. Er hat die Jahre, in denen das Land etwas lockerer wurde, mythisch gemacht. Hier sind Sehnsüchte Zuhause, die nicht mehr viel mit Handlung, Ort, und Geschichte zu tun haben.“ Der Ausweg aus der ganzen Misere ist der Humor !
Wilhelm Genazino, allseits bekannter Autor, Literat, Stadtflaneur aus Frankfurt am Main, geehrt u.a. mit dem GEORG BÜCHNER PREIS 2004, erweist sich als Großmeister der Skurrilität, mit einer Vorliebe ausgeprägter schelmischer Alltäglichkeitserlebnisse, welche nun wiederum die visuellen Fantasien des E9N Ensemble aufs Höchste beflügeln. Die vom E9N dramatisierte Frankfurt Stadtballade berauscht Augen und Ohr und wird in 10 Bildern umgesetzt, Zum Beispiel, erleben wir ein verwahrlostes Telefonbuch, während dessen das Telefon-Kind märchenhaft zu tanzen beginnt. Der Komponist und vielseitige Musiker Martin Lejeune begleitet von Akkordeon und Percussion unterstreichen die visuell-akustischen Bilder. Multitalentierte Schauspieler/innen, wilde Skulpturen des Großmeisters Fiebig , und die Bild- und Erzählqualität des Ganzen, unter der Regie von Helen Körte, lassen ein Feuerwerk der Gefühle und grotesk ironischer Wortakrobatik ästhetisch hoch kochen, während die Fische ums überleben kämpfen.

Inszenierung / Regie:
Helen Körte

Bühne / Objekte / Kostüme:
Dr. Wilfried Fiebig

Kostüme:
Margarete Berghoff

Schauspiel:
Christian Lehmann, Eric Lenke,
Fernando Fernandez, Katrin Schyns,
Mirjam Bauer, Elena Thimmel,
Willi Forwick (Trompetenspieler)

Komposition / Musikalische Leitung: Martin Lejeune

Musiker:

Martin Lejeune (E-Gitarre, Euphonium, Theremin)
Stephan Weiler (Akkordeon)
Max Jentzen (Schlagzeug)

Lichtdesign:
Johannes Schmidt

Fotografie:
Sabine Lippert

Grafik:
Jörg Langhorst

Mit freundlicher Unterstützung:
Kulturamt Stadt Frankfurt am Main
HfG Offenbach